Ich versuche mich in Rezensionen immer möglichst kurz zu fassen. Wer will schon einen halben Roman lesen, wenn es am Ende doch nur um ein einziges Spiel geht? Leider gelingt mir das nur selten so, dass ich wirklich zufrieden bin. So schwer wie bei Heaven & Ale von Michael Kiesling und Andreas Schmidt ist es mir allerdings noch nie gefallen, denn es gibt zu diesem Spiel einfach so viel zu sagen. Also geht’s los mit dem Roman…
Wo fange ich an? Am besten vorne. Heaven & Ale weckte schon weit vor der Messe 2017 in Essen mein Interesse. Wenn ein Verlag mit einem solchen Portfolio wie eggertspiele ein Spiel zum Thema Bier brauen ankündigt, schreit der Biertrinker und Hobbybrauer in mir halt sofort danach.
In Heaven & Ale versuchen die Spieler also möglichst viel Bier zu brauen, dass ihren Mindestansprüchen an Qualität genügt. Punkte sammelt man einerseits über eine Leiste auf dem eigenen Spielertableu, auf der man Marker für die 4 im Bier enthaltenen Rohstoffe, sowie für das Faßholz, möglichst weit nach vorne bringen muss. Hier ist letztendlich der letzte Marker entscheidend, so dass man für ein möglichst gleichmäßiges Voranbringen der Marker belohnt wird. Die zweite und letzte Möglichkeit an Punkte zu kommen sind verschiedene Bonusplättchen, die man im Laufe des Spiels für diverse erreichte Ziele bekommen kann.
Im Kern versucht man während des Spiel die verschiedenen Rohstoffe im eigenen Klostergarten anzupflanzen und möglichst gewinnbringend zu werten. Die hexförmigen Rohstoff-Plättchen bekommt man aus einer gemeinsamen Auslage, in der die Plättchen aufgereiht ausliegen. Wer dran ist darf sich die Plättchen auf einem beliebigen Feld nehmen. Allerdings darf man sich dabei nur nach vorne bewegen und steht so ständig vor dem Dilemma, dass die wirklich interessanten Plättchen vielleicht weiter vorne liegen, aber man dafür viele Felder überspringen muss, die man den Mitspielern so überlässt. Neben Rohstoffen gibt es auf der Leiste auch noch Mönche, deren Funktion ich gleich noch erläutere, Felder auf denen man erfüllte Bonus-Ziele geltend machen kann, sowie die sehr raren lila Wertungssteine.
Diese Wertungssteine sind erste von 3 Möglichkeiten die Ernte für die angebauten Rohstoffe einzufahren. Mit ihnen kann man die 10 verschiedenen Wertungen auslösen die auf dem eigenen Spielertableau angegeben sind, z.B. die Wertungen für die 5 verschiedenen Rohstoffe. Dabei bekommt man für jedes auf der rechten Seite (Schatten) liegende Plättchen des entsprechenden Rohstoffs den aufgedruckten Wert als Geld. Thematisch verkaufen wir die Rohstoffe also, da sie unseren Qualitätsansprüchen nicht genügen. Die Rohstoffe auf der linken Seite (Sonnenseite) unseres Tableaus nehmen wir für das eigene Bier, sie bringen uns Schritte mit dem jeweiligen Rohstoffmarker entsprechend der aufgedruckten Zahl. Jede dieser Wertungen kann allerdings nur einmal im gesamten Spiel ausgelöst werden und so muss man hier gut planen und den richtigen Moment für die Wertung finden.
Die zweite Möglichkeit um die Erträge einzufahren sind die Scheunen im eigenen Klostergarten, die immer dann eine Wertung auslösen wenn sie vollständig umbaut sind. Dadurch kann man einerseits umgebende Rohstoffe werten, andererseits den eigenen Braumeister nach vorne bewegen. Dieser bestimmt am Spielende den Umrechnungskurs, mit dem wir in der Schlusswertung Rohstoffe abgeben können um den letzten Rohstoffmarker nach vorne zu bewegen, und außerdem die Qualität unseres Bieres und damit die Anzahl der Siegpunkte die wir am Ende für jedes fertig gebraute Bierfaß bekommen.
Die letzte und vielleicht spannendste Möglichkeit sind die Mönche, die wir an beliebigen Stellen in unseren Klostergarten setzen können. Diese werden ebenfalls über die lila Wertungssteine aktiviert und werten dann alle Rohstoffplättchen die an sie angrenzen. Was thematisch vielleicht der am wenigsten nachvollziebare Vorgang ist, macht oft den spielentscheidenden Unterschied. Ein clever platzierter Mönch kann nochmal bis zu 20 Schritte mit den Rohstoffmarkern bringen.
Das alles macht den Einstieg in Heaven & Ale alles andere als leicht. Das herum optimieren an der Auslage der Plättchen im eigenen Garten ist eine Herausforderung die man in der ersten Partie kaum überblicken kann. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Neuling in seiner ersten Partie nur eine einstellige Punktzahl hat oder sogar gar keine Punkte auf der Leiste machen kann. Hier braucht man ein gewisses Frustpotential um nicht aufzugeben bevor das Spiel seine volle Stärke entfaltet. Auch erfahrenen Spieler finden aber nach jeder Partie noch etwas das sie besser hätten machen können.
Über meine Erstpartie in Essen habe ich im übrigen schon in meinem Messebericht geschrieben und spare mir jetzt weitere Worte dazu. Über das Thema dagegen will ich noch ein paar Worte verlieren, denn da habe ich inzwischen schon öfter gehört, dass das Thema als aufgesetzt und das Spiel damit als unthematisch empfunden wird. Eine Kritik die ich zwar bedingt nachvollziehen kann, aber nicht wirklich teile. Theoretisch kann man das natürlich fast jedem Eurogame vorwerfen. Allerdings empfinde ich persönlich ein Spiel als unthematisch, wenn mir das Thema den Einstieg in das Spiel nicht erleichtert oder die Mechaniken so überhaupt nicht zum Thema passen. Beides trifft hier meiner Meinung nach nicht zu. Wenn ich das Spiel jemandem erkläre nehme ich regelmäßig Bezug aufs Thema. Schließlich bauen wir Rohstoffe an und verkaufen sie oder verwenden sie für unser eigenes Bier. Das Hefe nicht im Garten wächst… geschenkt! Insgesamt fällt die Verzahnung von Thema und Mechanik hier zwar nicht besonders positiv, aber eben auch nicht negativ auf. Da haben andere Expertenspiele des Jahrgangs meiner Meinung nach deutlich mehr Probleme.
Viel eher kann man meiner Meinung nach die Illustrationen und das Material kritisieren. So sind z.B. die Spielertableaus mit denen man im Spiel hauptsächlich hantiert leider nur aus sehr dünner Pappe und rutschen relativ leicht auf dem Tisch hin und her. Viel mehr stören mich allerdings die doppelseitig bedruckten Scheunenplättchen. Hier ist es kaum nachvollziehbar welche Scheunen sich auf der Rückseite der Plättchen befinden und das suchen nach dem richtigen Scheunenplättchen wird so zur unnötig nervigen Angelegenheit. Auch die Illustrationen sind z.T. unglücklich. Jedenfalls macht es den Einstieg in das Spiel nicht wesentlich einfacher, dass die Felder der Leiste auf den Spielertableaus unterschiedlich groß und im hinteren Bereich jeweils einzigartig illustriert sind.
Diese Kleinigkeiten sind aber auch schon alles was ich an Heaven & Ale kritisieren kann. Mechanisch finde ich das Spiel herrausragend. Nach jeder einzelnen meiner Partien hatte ich sofort Lust es noch mal zu spielen und das “Puzzle” in meinem Klostergarten noch zu optimieren. In allen Spielerzahlen hat mir das Spiel gut gefallen, auch wenn die Spielzeit bei 4 Spielern überproportional steigt, da die Rundenzahl doppelt so hoch ist wie zu zweit. Die einzelnen Züge gehen in der Regel relativ schnell und auch in voller Besetzung hat man selten das Gefühl zu lange auf den eigenen Zug warten zu müssen. Die Interaktion zwischen den Spielern ist zwar durch das Wegnehmen der Plättchen und auch der Bonuswertungen nur indirekt gegeben, dennoch muss ich immer schauen was meine Mitspieler machen um abschätzen zu können, wie weit ich auf der Leiste voranschreiten kann. Es gibt viele Dinge die man in jedem Zug abwägen muss, so dass man als Spieler immer vor interessanten Entscheidungen steht. Dennoch kommt das Spiel für die Komplexität mit relativ wenig Regeln aus.
In die einzelnen Partien kommt alleine durch die Reihenfolge in der die Plättchen auftauchen sehr viel Varianz, so dass jede Partie anders ist und man immer wieder aufs Neue gefordert ist das Optimum heraus zu holen. Sehr viele verschiedene Strategien gibt es allerdings nicht und so ist das Spiel durch kurzfristige Entscheidungen oft auch taktisch geprägt. Etwas mehr Wiederspielreiz könnte eventuell noch durch weitere Bonusplättchen ins Spiel gebracht werden, so dass nicht immer alle Plättchen im Spiel sind.
Insgesamt ist Heaven & Ale für mich aber ein rundum gelungenes Spiel, dass ich jederzeit mitspielen würde. Die geringen Material-Mängel werden durch die absolut interessante und herausfordernde Mechanik mehr als wett gemacht. Daher ist das Spiel für mich definitiv eines der besten des Jahrgangs und für mich deshalb eindeutig…
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