[brettspielschau] Ein halbes Jahr im Lockdown

Brettspiele und Lockdown passen einfach nicht zusammen. Die verschärften Maßnahmen im Jahr 2021 haben die ohnehin schon raren Spiel-Möglichkeiten des Herbstes noch weiter eingeschränkt. So wenig gespielt wie im ersten Halbjahr 2021 hab ich jedenfalls seit Jahren nicht mehr. Nicht viel Futter für die brettspielschau…

Dazu kommt auch noch eine gewisse Online-Brettspiel-Müdigkeit. Das Spielen über Discord, Skype und die verschiedenen Plattformen ist halt leider nicht das selbe wie das Spielen am Tisch. Immerhin: in den letzten Wochen ist wieder ein gewisser Trend zum Vielspielen erkennbar. Über die folgenden Spiele kann ich aber etwas berichten.


Welchen Prominenten würdest du auswählen um dir bei einem Gefängnisausbruch zu helfen? James Watt? Der hat vielleicht eine nützliche Erfindung in der Hinterhand. Oder doch lieber Miley Cyrus mit ihrem “Wrecking Ball”? Oder Mike Tyson? Der könnte… Naja, schon klar!

Genau um solche Fragen geht es bei Komplize gesucht!. Zu jeder Frage spiele ich eine Prominenten-Karte aus. Dann wird nach und nach jeweils eine Karte aussortiert. Wenn meine Karte am Ende übrig bleibt ist der von mir ausgespielte Promi wohl am besten für diese Aufgabe geeignet und ich bekomme einen Punkt. Das sorgt auf jeden Fall für jede Menge Heiterkeit am Tisch. Vor allem wenn mal wieder ein Vorurteil, dass man über einen Promi hatte, bedient wird. Leider spiele ich dabei meine Karte allerdings stumm und verdeckt aus und kann keine Argument für meinen Promi liefern. Wenn mein Mitspieler die geniale “Wrecking Ball” Assoziation zu Miley Cyrus nicht erkennt und sie deshalb aussortiert, kann ich mich nur im Nachhinein verteidigen und dabei wie ein schlechter Verlierer wirken. Immerhin darf ich jetzt die nächste Karte aussortieren und kann zumindest eine Begründung gegen die Karte eines Mitspielers liefern.

Da Komplize gesucht! fast keiner Regelerklärung bedarf, hatten besonders neue Mitspieler immer sofort ihre Freude am Spiel. Sehr lange trägt der Gag des Spiels aber nicht. Das Spiel mit Vorurteilen wirkt dabei auch manchmal etwas sehr plump. Komplize gesucht! hat also definitiv seine Schwächen. In großer Runde – die pandemiebedingt leider noch nicht möglich war – mit Leuten die eher selten spielen und vielleicht mit dem ein oder anderen Kaltgetränk kann das Spiel aber sicher für gute Unterhaltung sorgen.

Komplize gesucht!

 Reiner Knizia  3-8 Spieler
 unbekannt  ab 14 Jahren
 Gmeiner-Verlag  30 Min.

Von diesem Spiel lag mir ein Rezensionsexemplar vor.


Kyoto

Alle sind sich einig: das Klima muss gerettet werden. Aber es wäre doch schön wenn das andere tun. Dieses Dilemma, das die Weltpolitik seit der 3. Weltklimakonferenz 1997 in Kyoto nicht wirklich lösen konnte, versucht das gleichnamige Spiel satirisch zu verarbeiten.

Prinzipiell versuchen wir dabei das Klima gemeinsam zu retten in dem wir in jeder Runde die in einer Studie genannten Klima-Folgen abwenden. Dazu muss Geld aus unseren Staatskassen in den Umweltfond gezahlt werden und wir müssen auf eine bestimmte Form des Wohlstands verzichten. Ich könnte in meinem Land z.B. SUVs abschaffen in dem ich die entsprechende Karte in die Mitte spiele und so den CO2-Ausstoss um 50t reduzieren. Da sowohl Geld als auch Wohlstands-Karten am Spielende Punkte wert sind versucht man sich hier aber naturgemäß zurückzuhalten. Vielleicht kann ich eine Mitspielerin, die davon “viel mehr profitieren” würde, überreden zu helfen. Sind wir insgesamt aber zu geizig und erreichen die Studien-Ziele nicht treten Klimaschäden auf. Das zeigt sich entweder durch einen Anstieg der Temperatur, erhöhte Luftverschmutzung oder das Aussterben von Tierarten. Allzu oft sollten wir nicht scheitern, denn wenn einer dieser drei Umweltschäden einen kritischen Wert erreicht ist das Spiel vorzeitig beendet und der Spieler mit den meisten Punkten wird vom Sieg ausgeschlossen.

Neben dem Gefeilsche um die eigenen Ressourcen verfolgen wir auch noch geheime Ziele. So kann es z.B. sein, dass ich die Ziele der Auto-Lobby vertrete. Dann bringen mir Karten mit Auto-Symbol Minuspunkte und ich würde vermutlich nicht so einfach auf meine SUVs verzichten. Im Gegenteil: ich könnte sogar einen Mitspieler bestechen damit er die gerade gespielte Karte, mit der er die Formel 1 abschaffen will, wieder auf die Hand nimmt.

Kyoto lebt sehr von der Kommunikation innerhalb der Gruppe und hat deswegen auch nicht in allen Runden funktioniert. Da die Symbole auf den Studienkarten ausreichen würden um uns in einer Partie mehr als einmal in eine Klima-Katastrophe zu stürzen, muss man sich auch darauf einlassen sich von seinem Geld und seinen Karten zu trennen. Wenn alle auf ihren Ressourcen hocken wird das Spiel schnell enden ohne das großer Spielspaß aufgekommen ist. In der richtigen Runde, die sich auf den satirischen Ansatz einlässt, ist der Spielspaß dafür aber umso größer. Pandemiebedingt konnte ich das Spiel bisher leider nur mit 3 und 4 Leuten spielen, in Vollbesetzung mit etwas chaotischeren Diskussionen am Tisch wird Kyoto aber mit Sicherheit noch besser funktionieren.

Kyoto

 S. Harrer & J. Krenner  1-6 Spieler
 Christian Opperer  ab 10 Jahren
 Deep Print Games  30-45 Min.

Nidavellir

Beliebte Brettspiel-Mechanismen werden gerne mit einem “Urvater” in Verbindung gebracht. Also einem Spiel das dieses Genre geprägt hat. So steht kein Spiel so sehr fürs Deck-Building wie Dominion und Caylus gilt als der “Urvater” des Worker-Placement. Künftige Coin-Building-Spiele werden wohl auf Nidavellir als dieses prägende Spiel zurück blicken.

Dieses Coin-Building ist zwar frisch und neu, im Mittelpunkt steht jedoch eher das altbekannte Set-Collection. Ich sammle nämlich einfach Karten in 5 verschiedenen Farben, die jeweils auf unterschiedliche Weise Punkte bringen. Jede Karte steht dabei für einen Zwerg, den ich in einer Taverne für meine Zwergen-Armee rekrutiere. Möglichst viele Karten einer Farbe bringen prinzipiell die meisten Punkte, für jedes vollständige Set aus allen Farben darf ich allerdings einen Helden, also eine besonders starke Karte, anwerben. So ist man ständig im Zwiespalt worauf man sich konzentriert. Und das Coin-Building? Achja. Jeder Spieler hat 5 Münzen in seinem Pool. Mit diesen bieten wir in jeder Runde darauf in welcher Reihenfolge wir uns Karten bei den 3 Tavernen aussuchen dürfen. Die Münzen geben wir allerdings nicht aus, sondern behalten sie für die nächste Runde. Wenn ich bei einer der Tavernen die niedrigste Münze spiele, also in der Regel zuletzt die übrig gebliebene Karte erhalte, darf ich eine nicht verwendete Münze gegen eine höherwertige eintauschen. Neben den Karten bringen auch die Münzen am Spielende Punkte entsprechend ihres Wertes.

Als schnell gespieltes Set-Collection-Spiel gibt Nidavellir insgesamt ein rundes Bild ab. Das Coin-Building bringt auf jeden Fall frischen Wind in ein sonst eher angestaubtes Genre. Stören tut mich allerdings etwas, dass es das Spiel kaum schafft mich zu Zwingen andere Wege auszuprobieren. Theoretisch kann ich das Spiel immer auf die gleiche Weise angehen, da auch immer die selben Karten mitspielen. Dennoch hatten wir bisher in allen Runden Spaß mit Nidavellir und haben fast immer noch eine zweite Runde drangehängt.

Nidavelir

 Serge Laget  2-5 Spieler
 Jean-Marie Minguez  ab 10 Jahren
 Pegasus Spiele  40-60 Min.

Under Falling Skies

Wenn im Lockdown die Mitspieler fehlen, muss man halt zu Solospielen greifen. Normalerweise bin ich kein großer Fan davon und spiele höchstens mal zum Kennenlernen eines Spiels alleine. Doch Solospiele haben seit März 2020 aus bekannten Gründen Hochkonjunktur. Und immer wieder hörte man Stimmen, dass Under Falling Skies ein herausragender Vertreter sei. Also wollte ich das Spiel unbedingt auch mal ausprobieren.

Und was soll ich sagen? Die Stimmen hatten recht. Under Falling Skies hat einen so cleveren Würfel-Einsetz-Mechanismus, dass wirklich jede einzelne Entscheidung extrem knifflig ist. Denn jeder eingesetzte Würfel hat mehrere Effekte. Zum einen kommt dadurch ein Alien-Schiff der Stadt, die ich gerade zu verteigen versuche, näher. Ich will möglichst niedrige Würfel einsetzen um die Schiffe zu verlangsamen. Andererseits brauche ich möglichst hohe Würfelzahlen um meine Energievorräte aufzufüllen, meine Waffen mit möglichst viel Schlagkraft auszustatten und die Forschung voranzutreiben. Doch damit nicht genug. Die Alien-Schiffe sollen möglichst auch noch genau dort landen wo ich sie abschießen kann. Mein Tunnelbohrer muss mir weitere Aktionsfelder freischalten. Nach Möglichkeit will ich noch den ein oder anderen Roboter programmieren, der mir später hoffentlich hilft. Zudem darf ich in jeder Spalte in der die Aliens angreifen pro Runde nur einen Würfel platzieren. Und nach jeder Runde rückt auch noch das Mutterschiff weiter und macht mir das Leben noch schwerer. Meine Würfel muss ich übrigens immer neu Würfeln sobald ich einen weißen Würfel einsetze. Alles in allem raucht einem der Kopf schon nach dem ersten Wurf des Spiels. Doch dieses Puzzle zu lösen ist nicht nur herausfordernd, sondern macht auch einfach unglaublich viel Spaß. Und wenn ich beim nächsten Wurf “mindestens eine 1” oder “bloss keine 4” brauche kommen auch noch die Emotionen dazu.

Auch die Ausstattung von Under Falling Skies muss man wirklich hervorheben. Neben dem normalen Spiel, dass schon einige Spielvarianten mit unterschiedlichen Schwierigkeistgraden und verschiedenen Sädten zum Verteidigen beinhaltet, gibt es noch eine große Kampagne, die noch mehr Abwechslung bietet. Insgesamt wird hier Spielspaß für unzählige Partien geboten. Nur halt leider alleine.

Under Falling Skies

 Tomáš Uhlíř  1-1 Spieler
 K. Moriya & P. Boháček  ab 12 Jahren
 Czech Games Edition  20-40 Min.

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