In Zeiten von Corona fallen die meisten analogen Spielmöglichkeiten leider aus. Eine Alternative bieten da verschiedenen Online-Brettspiel-Plattformen. Ich habe in den letzten Wochen einige davon ausprobiert und möchte euch kurz über meine Erfahrungen damit berichten und die verschiedenen Plattformen vergleichen.
Bei der Suche nach der richtigen Plattform stellen sich zunächst einige Fragen. Suche ich online nach Mitspielern oder will ich mit Bekannten in privater Runde spielen? Soll mir die Plattform möglichst viel Verwaltungsaufwand abnehmen oder will ich eine möglichst große Realitätsnähe? Und natürlich vor allem: Welches Spiel bzw. welche Art von Spielen will ich überhaupt spielen?
Brettspielwelt
Link zum Online-Client
Um in der Brettspielwelt zu spielen hat man prinzipiell zwei Möglichkeiten. Mann kann sich den Client herunterladen oder online spielen. Der Client wirkt leider schon etwas angestaubt und ist ziemlich unübersichtlich. Dafür ist hier das Suchen nach virtuellen Tischen, an denen noch Plätze für Mitspieler frei sind etwas komfortabler. Insgesamt bevorzuge ich allerdings die Browser-Variante. Wer hier online nach Mitspielern sucht wird bei schnellen, weniger komplexen Spielen meistens schnell fündig. Je komplexer das Spiel wird, desto schwieriger wird auch die Suche nach Mitspielern. Ein Problem stellen dabei leider auch die zahlreichen “Geister-Spieltische” dar, die noch lange nach der beendeten Partie in der Lobby zu sehen sind.
Wer seine Mitspieler schon mitbringt, kann für diese relativ einfach eine neue Partie des gewünschten Spiels erstellen. Das Beitreten und Starten der Spiele ist dann allerdings etwas kompliziert und funktioniert nicht immer reibungslos – vorallem in den Stoßzeiten bei starker Serverbelastung. Die Spiele selbst sind übersichtlich und für das online spielen optimiert. Was im analogen Spiel mit dem hin- und herschieben mehrerer Marker verbunden ist, wird hier oft mit nur einem Mausklick gelöst. Manchmal geht es sogar zu schnell und man bekommt kaum mit was genau am “Tisch” passiert. Auch die Möglichkeit eine Aktion rückgängig zu machen, falls man sich mal verklickt hat, fehlt leider.
Die Spieleauswahl in der Brettspielwelt ist eher gering und zudem gibt es nur wenige neue Spiele. Die Brettspielwelt ist offizieller Partner von einigen deutschen Verlagen die eher für Familienspiele bekannt sind (z.B. Ravensburger, Schmidt Spiele). Daher sind im Wesentlichen einfachere Spiele zu finden. Für Vielspieler die nach komplexen Herausforderungen suchen bietet die Brettspielwelt kaum etwas.
Am besten eignet sich die Brettspielwelt für einfache Spiele mit kurzer Spieldauer, die man mit möglichst wenig Aufwand online spielen will.
offiziell lizensierte Spiele, intuitive und einfache Bedienung (in den Spielen)
geringe Spieleauswahl, unübersichtliche Übersicht für offene Tische, bei starker Auslastung oft fehlerhaft
Besonders gerne spiele ich hier: Die Crew, Dizzle, Ganz schön clever
Yucata
Link zur Webseite
Yucata ist von den hier vorgestellten Seiten sicherlich die mit dem schlichtesten Design. Das macht die Seite sehr übersichtlich und man findet sich hier schnell zurecht. Die Online-Mitspieler-Suche funktioniert für alle auf der Seite vorhandenen Spiele relativ gut. Allerdings muss man dabei auch ein wenig Geduld mitbringen. Denn das Konzept von yucata.de basiert im Gegensatz zu den anderen vorgestellten Plattformen nicht auf Live-Partien. Hier läuft alles etwas langsamer ab und Partien dauern nicht selten mehrere Tage oder gar Wochen. Für seine Züge kann man sich entsprechend jede Menge Bedenkzeit nehmen und notfalls auch alles nochmal korrigieren. Erst wenn man auf die allgegenwärtige Schaltfläche “Zug beenden” klickt, gibt man an den nächsten Spieler ab. Die Webseite leitet die Spieler gut durch die Spiele und sagt immer genau welche Optionen man gerade hat. Es wird den Spielern aber auch nicht zu viel ab abgenommen. Die Original-Spielegrafiken sind auf ein Minimum reduziert, so dass man das gesamte Spiel immer übersichtlich auf einer Seite sieht.
Auf Yucata spielt man in der Regel nicht nur ein Spiel zur Zeit, sondern ist oft in mehreren Partien gleichzeitig involviert. Viele Spieler loggen sich nur einmal am Tag oder seltener ein um ihre Spielzüge nacheinander abzuhandeln. Das System ist hevorragend darauf eingerichtet und bietet nach dem getätigten Zug einen direkten Link zum nächsten Spieletisch. Hier merkt man deutlich den Postspiel-Einfluss und findet dementsprechend auch vorwiegend komplexere Strategie-Spiele. Viele beliebte Kenner- und Expertenspiele der letzten Jahre sind verfügbar, aber auf die ganz frischen Neuheiten wird man hier eher nicht stoßen.
Sich auf Yucata mit der eigenen Spielegruppe auf eine Online-Partie zu verabreden ist zwar prinzipiell möglich, allerdings ist die Plattform sehr streng dabei in welcher Reihenfolge die Spiele abzuarbeiten sind. Ist man zufällig gerade in einer der langsamen Runden am Zug, muss man die Live-Partie also unterbrechen und kann erst weiterspielen, wenn man seinen Zug im anderen Spiel abgeschlossen hat. Das nervt leider und macht die Seite aus meiner Sicht eher ungeeignet für Live-Partien.
Yucata eignet sich am besten für geliebte Strategie-Klassiker, zu denen man in der Neuheitenflut viel zu selten kommt und bei denen man gerne auch mal etwas länger nachdenkt. Egal ob gegen Online-Gegner oder Bekannte, die man ggf. auch nach dem Ende der Kontaktsperre nicht sofort am Spieletisch treffen wird.
übersichtliche Webseite, optimiert für parallel laufende rundenbasierte Spiele
eher ungeeignet für Live-Spiele, Bedienung nicht immer intuitiv, Zwang die Partien in bestimmter Reihenfolge abzuhandeln
Besonders gerne spiele ich hier: Targi, Rajas of the Ganges, Brügge, Russian Railroads
Boardgamearena
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Die Boardgamearena sieht schon auf den ersten Blick ziemlich modern aus. Die Spieleüberischt aus der die Spiele komfortabel gestartet werden können wirkt optisch ansprechend und dennoch ziemlich aufgeräumt. Man kann auch in der Boardgamearena mehrere rundenbasierte Spiele parallel spielen und hat dann pro Zug je nach Einstellung jeweils mehrere Stunden oder Tage Bedenkzeit. Der Kern der Plattform sind für mich hier aber ganz klar die Live-Spiele mit wenigen Minuten Bedenkzeit. Mitspieler dafür findet man online ziemlich einfach und schnell. Dabei kann man natürlich selbst einen Spieletisch erstellen, sich auf einen freien Platz an einem offenen Tisch “setzen” oder aber das wirklich hervorragende automatische Zuordnungssystem nutzen. Auch private Runden sind in der Boardgamearena selbstverständlich möglich. Das eröffnen eines solchen Tisches ist jedoch nicht gut gelöst. Mich hat das erstmalige Eröffnen eines Tisches für meine Spielerunde jedenfalls einige Minuten, Fehlversuche und Nerven gekostet. Wenn man einmal weiß wie es geht, klappt es jedoch problemlos.
Am Spieletisch selbst schließlich finde ich die Boardgamearena auch wirklich gelungen. Die Spiele sind übersichtlich und der Aufbau ist gut durchdacht. Die Bedienung ist intuitiv und ermöglicht ein zügiges Spiel. Besonders gut gefällt mir, dass es zu nahezu jedem Spielelement per Mouseover eine kleine Erklärung gibt. Lediglich eine Möglichkeit den Zug zurück zu nehmen fehlt in vielen Situationen.
Die Spieleauswahl ist hier relativ bunt gemischt. Es gibt einige Vielspieler-Spiele, aber auch die einfachen Familienspiele sind vertreten. Die Anzahl der verfügbaren Spiele ist auch hier, aber eher mittelmäßig und vor allem Neuheiten sucht man in der Regel vergeblich.
Die Boardgamearena ist meine bevorzugte Plattform, wenn ich schnell und einfach Lust auf Online-Brettspiele im Live-Modus habe. Vorallem dann wenn ich online nach Mitspielern suche. Sowohl komplexere, als auch schnelle und einfache Spiele funktionieren hier hervorragend.
automatische Mitspielersuche, intuitive Bedienung, ideal für Live-Spiele
oft kein Zugang in Stoßzeiten (User-Beschränkung), erstellen privater Tische kompliziert
Besonders gerne spiele ich hier: Stone Age, Can’t Stop, Clans of Caledonia
Tabletopia
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Die nächste Plattform unterscheidet sich grundlegend von den 3 bisher vorgestellten. Tabletopia ist eine Sandbox-Physik-Simulation für Brettspiele. Es sind keine Spielregeln hinterlegt und den Spielern wird nicht vorgeschlagen was sie gerade tun können. Im Prinzip liegt einfach das gesamte Spielmaterial auf dem virtuellen Tisch und kann wie im “echten Spiel” bewegt werden. Man sollte also die Regeln des jeweiligen Spiels komplett drauf haben um zu wissen was man in der jeweiligen Spielsituation tun muss. Die Bedienung ist entsprechend nicht so einfach wie bei den ersten 3 Plattformen, aber insgesamt löst Tabletopia das “Problem” ziemlich gut. Ein Tutorial bringt einem die wichtigsten Steuerungsbefehle schnell bei und man hat diese schnell verinnerlicht. Dabei kommt man fast ausschließlich mit der Steuerung via Maus aus. Natürlich ist der Einstieg aber insgesamt etwas schwieriger und als Neuling muss man sich erst einige Minuten mit dem System beschäftigen bis man mit der Bedienung klar kommt. Da einem auch die Verwaltung der Spiele – mit Ausnahme des Spielaufbaus – nicht abgenommen wird, dauert eine Partie entsprechend eher länger bzw. genau so lange wie am analogen Spieltisch. Dafür ist das Spielerlebnis aber auch sehr realitätsnah.
Ein tolles Feature der Webseite ist es, dass sich nur ein Spieler registrieren muss. Dieser kann dann ein Spiel erstellen und den Link zur Partie einfach an Freunde und Bekannte schicken, die sich per Browser ohne Anmeldung in das Spiel einklinken können. Das klappt allerdings nicht bei jedem sofort problemlos, da die technischen Vorraussetzungen der Seite relativ groß sind. Bisher hat es aber letztendlich immer funktioniert, dass alle mitspielen konnten. Mitspieler über die Webseite zu finden ist hingegen nicht so einfach. Das System der Mitspielersuche funktioniert zwar prinzipiell gut, es gibt aber wenige offene Partien. Viele davon sind zu dem schon vor Stunden eröffnet worden und die potentiellen Mitspieler zwar “online” aber nicht mehr auf der Seite aktiv. Auch an selbst eröffneten Tischen wartet man oft vergeblich.
Die Spieleauswahl auf Tabletopia ist ziemlich umfangreich. Viele Neuheiten gibt es sogar schon vor dem deutschen Veröffentlichungstermin. Das liegt allerdings auch daran, dass die Seite zum Großteil für den amerikanischen/englischen Markt konzipiert ist und entsprechend auch weitgehend mit englischer Sprache arbeitet. Einige wenige Spiele sind Premium-Nutzern vorbehalten. Das gilt allerdings nur für die Eröffnung des Tisches, mitspielen kann dann wie bereits erwähnt jeder. Viele der angebotenen Spiele sind eher unbekannt, einige moderne Klassiker fehlen dagegen. Das liegt sicherlich an der engen Verbindung von Tabletopia mit einigen Crowdfunding-Plattformen.
Tabletopia ist ideal, wenn man die eigene analoge Spielerunde in Zeiten der Kontaktsperre möglichst realitätsnah online abbilden möchte. Wenn sich alle Mitspieler einmal mit der Plattform angefreundet haben, kann hier z.B. der wöchentliche Spieleabend mit wechselnden Spielen fast wie gewohnt weiter stattfinden.
sehr realitätsnah, Registrierung nur für einen Mitspieler nötig, für eine Simulation ziemlich intuitiv, viele aktuelle Spiele
Mitspieler online finden ist schwierig, Verwaltungsarbeit übernimmt das System nicht
Besonders gerne spiele ich hier: Der Kartograph, Agent Undercover, Paladine des Westfrankenreichs
Tabletop Simulator
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Der Tabletop Simulator ist wie Tabletopia eine Sandbox-Physik-Simulation. Auch hier liegt entsprechend nur das Spielmaterial auf dem virtuellen Tisch und man muss selbst wissen was man damit tun muss. Im Gegensatz zu Tabletopia ist die Software zudem nicht Browser-basiert, sondern muss kostenpflichtig heruntergeladen werden. Leider kommt der Tabletop Simulator insgesamt ziemlich sperrig daher. Sowohl was die technischen Vorrausstzungen betrifft, als auch die Bedienung. Bei mir läuft der Rechner jedenfalls regelrecht “heiss” wenn der Tabletop Simulator läuft. Die Bedienung ist zudem wesentlich unintuitiver und komplizierter als bei Tabletopia. Hier kann man wenig mit der Maus ausrichten und muss erst zahlreiche Shortcuts auf der Tastatur erlernen bis man das System vernünftig bedienen kann. Für Neulinge wirkt das gesamte System erstmal ziemlich abschreckend.
Sehr gut funktioniert die Online-Suche nach Mitspielern. In der Lobby sind unzählige Partien gelistet, bei denen noch Mitspieler gesucht werden. Oft sind Runden z.B. sogar als Anfängerrunden gekennzeichnet und das Spiel wird auch gerne nochmal am virtuellen Tisch erklärt. Insgesamt ist die riesige Community hier sehr hilfsbereit und hilft auch gerne mal mit Tipps wenn man Probleme bei der Bedienung hat. Wer hingegen mit den eigenen Mitspielern aus der echten Welt spielen will stößt zunächst auf das Problem, dass jeder die Software kaufen muss. Dazu kommt der komplizierte Einstieg für Mitspieler, die sonst analog unterwegs sind. Wenn man eine Runde aus Tabletop Simulator erfahrenen Mitspielern hat, ist ein privater Tisch aber leicht einzurichten.
Die Spieleauswahl im Tabletop Simulator muss man zweiteilig betrachten. Prinzipiell ist die Auswahl erstmal sehr beschränkt und es gibt nur wenige Spiele. Die Auswahl an User-generierten Spielen ist allerdings riesig. In dieser rechtlichen Grauzone findet man nahezu jedes Spiel das man sucht. Wenn auch oft nur in englischer Sprache. Viel eher ist es ein Problem die richtige Variante des Spiels zu finden. Denn viele Spiele sind in zahlreichen Versionen vorhanden, die sich auch qualitativ leider ziemlich stark unterscheiden. Die besseren sind “gescripted” und nehmen einem den Spielaufbau z.T. sogar schon für verschiedene Szenarien ab. In den schlechteren muss man vor der Partie selbst noch Hand anlegen und den Spielaufbau z.B. für die Spielerzahl anpassen.
Dem Tabletop Simulator kann man gut nutzen um Spiele – die vielleicht auf den anderen Plattformen auch garnicht verfügbar sind – in einer Partie mit Online-Gegnern erstmal kennenzulernen. Allerdings nur wenn man die Software selbst schon gut kennt.
zahlreiche Mitspieler und Partien, große Spieleauswahl, Anfängerrunden
sehr komplizierte Bedienung, alle Mitspieler müssen die Software kaufen, hoher Systemanspruch, sehr viel Verwaltungsaufwand
Besonders gerne spiele ich hier: neue Spiele, um sie kennenzulernen
Zum Abschluss findet ihr hier noch einmal die wichtigsten Kerndaten der 5 vorgestellten virtuellen Spielmöglichkeiten. In der nachstehenden Tabelle findet ihr u.a. auch die aktuellen Preise der kostenpflichtigen Angebote (ohne Gewähr).
Letztendlich haben alle Plattformen ihre Vor- und Nachteile und unterscheiden sich so stark, dass ich zur Zeit tatsächlich alle nutze. Das liegt aber auch an den unterschiedlichen verfügbaren Spielen. Am liebsten nutze ich die Boardgamearena und Tabletopia.
Hey, cooler Artikel! Hab mich im Lesen total darin verloren. Doch eine Sache hat mich dann doch rausgerissen….ich finde leider nirgends das besagte Agent Undercover. Wurde es rausgenommen? Ist es gelöscht? Oder hat es zu viel Spaß gemacht? *grins*
Wäre für Hilfe sehr dankbar!
Vielen Dank für deinen netten Kommentar. Du meinst sicherlich auf Tabletopia?! Da habe ich Agent Undercover tatsächlich gerade auch nicht mehr gefunden. Wurde offensichtlich raus genommen. Durch die SPIEL.digital hat sich das Angebot insgesamt aber noch deutlich erweitert.