Wer wird nominiert?

Das Spiel des Jahres ist weltweit als wichtigster Brettspiel-Preis angesehen. Heute Vormittag werden die nominierten Spiele für das Spiel des Jahres 2020 und das Kennerspiel des Jahres 2020 bekannt gegeben. Davor wird oft lange diskutiert und nahezu jeder Brettspiel-Nerd gibt seinen Tipp ab. Als vermutlich Letzter möchte auch ich das noch schnell tun. Hier also nun meine Tipps:


Spiel des Jahres

Die Crew – Reist gemeinsam zum 9. Planeten
Der Überflieger des Jahrgangs ist wohl Die Crew. Fast jeder rechnet damit, dass das kooperative Stichspiel einen Preis abräumt. Die Frage ist oft nur rot (Spiel des Jahres) oder anthrazit (Kennerspiel des Jahres)? Mir geht das nicht anders. Allerdings war ich mir immer sicher, dass das Spiel in den roten Bereich gehört. Die Regeln sind prinzipiell relativ einfach zu erlernen. Und auch wenn der Anspruch in den hohen Leveln sicherlich sehr groß ist, wird man behutsam an den steigenden Schwierigkeitsgrad heran geführt. Zudem sind Stichspiele DAS spielerische Kulturgut Deutschlands und die Jury sollte daher auch wenig Spielenden durchaus zutrauen mit Die Crew klar zu kommen.

Detective Club
In den letzten Jahren war oft ein Partyspiel für größere Gruppen nominiert. Zurecht, denn es gab auch immer wieder hervorragende Kandidaten. Auch in diesem Jahr gibt es wieder einge solcher Spiele von denen Detective Club für mich das gelungenste ist. Ein Assoziations-Spiel mit Bildern ist sicher nicht neu, aber gepaart mit der Unwissenheit eines Mitspielers und vor allem der genialen “Erkläre deine Bilder”-Runde wird daraus ein absolut gelungenes Gesamtwerk. Auch wenn hinter Pictures und Perfect Match sicherlich innovativere Ideen stecken, habe ich bei keinem der Spiele so viel Spaß gehabt und so viel gelacht wie bei Detective Club. Ich tippe auf eine Nominierung.

Tiny Towns
Ein einfacher Mechanismus, der aber schwer zu spielen ist, zeichnet Tiny Towns aus. Eigentlich legen wir nur nach und nach je eine von fünf Ressourcen auf unseren eigenen 16-Felder großen Stadtplan und bauen daraus später Gebäude. Dabei kann man sich aber schnell verzetteln und handlungsunfähig werden. Deswegen ordnen viele das Spiel auch in die anthrazite Kategorie ein. Die Regeln – und um die geht es schließlich bei der Einordnung – sind dabei aber durchaus Familien-tauglich. Und meiner Erfahrung nach sind auch Gelegenheitsspielern eher angespornt es in einer weiteren Partie besser zu machen als allzu frustriert. Zweifelsfrei ist Tiny Towns aber ein tolles Spiel und verdient eine Nominierung.

Empfehlungsliste
Die folgenden Spiele verpassen meiner Meinung nach eine Nominierung knapp, aber landen immerhin noch auf der Empfehlungsliste und sind somit auch ausgezeichnete Spiele.
Mandala: Die häufig genannten 2-Personen-Spiel-Kandidaten habe ich leider alle nicht gespielt, meist landet aber doch eines davon auf der Empfehlungsliste. Mandala setzt sich meiner Meinung nach knapp gegen Der Fuchs im Wald durch, dass auch daran scheitet, dass mit Die Crew bereits ein Stichspiel dabei ist.
Nova Luna: Ein tolles Spiel mit einem weiterentwickelten Patchwork-Mechanismus. Für eine Nominierung reicht es, auch weil es fast ein bisschen zu ruhig ist, denke ich nich ganz. Eine Empfehlung kann ich mir aber gut vorstellen.
Kitchen Rush: Ein Echtzeit-Spiel, dass ich nicht gespielt habe, weil ich kaum Mitspieler für diesen Spiele-Typ habe. Gelobt wird das Spiel aber überall, vorallem für den Tutorial-Ansatz der deutschen Version. Ich denke zumindest eine Empfehlung hat sich das Spiel verdient.
Similo: Ein sicherlich gelungenes Spiel, dass vielleicht ein wenig zu puristisch für den Preis ist. Zumindest in der Märchen-Variante könnte es sogar fast auf der Kinderspiel des Jahres Liste auftauchen.


Kennerspiel des Jahres

Res Arcana
Mein Tipp für den Sieg beim Kennerspiel des Jahres ist Res Arcana. Aus nur 8 Karten muss man sich eine kleine Engine aufbauen um an Ressourcen und schließlich an Siegpunkte zu kommen. Das ist durchaus anspruchsvoll und man muss vor jeder Partie seine 8 Karten genau unter die Lupe nehmen um das Optimum rauszuholen. Trotz oder gerade wegen dieser krassen Beschränkung ist der Wiederspielreiz enorm hoch. Das Spiel bekommt weitgehend positive Resonanz und hat mir in meinen Partien auch immer gut gefallen. Die gelungene Gesamtmischung macht Res Arcana für mich zum Favoriten auf das Kennerspiel des Jahres.

Der Kartograph
Das ein Spiel bei dem man “nur” etwas auf seinem Block einzeichnet durchaus auf Kennerniveau liegen kann, wissen wir spätestens seit Ganz schön clever. Bei Der Kartograph muss man immer abwägen auf welche der 4 ausliegenden Wertungskarten man sich konzentriert. Jede aufgedeckte Karte erfordert mehrere Entscheidungen und man überlegt ständig was gerade die besten Optionen offen lässt. Mich konnte das Spiel u.a. wegen der geringen Interaktion nicht restlos überzeugen, kommt aber im Allgemeinen gut an und verdient sich so denke ich eine Nominierung.

Rune Stones
Von allen Spielen bei denen ich auf eine Nominierung tippe, bin ich mir bei Rune Stones am unsichersten. Das Spiel macht nicht viel falsch und gefällt den meisten Mitspielern mit denen ich es gespielt habe gut. So richtig vom Hocker gehauen wird man als Vielspieler allerdings nicht. Als Gateway-Spiel um Gelegenheitsspieler an komplexere Spiele heranzuführen ist Rune Stones aber sehr gut geeignet. Und genau in dieser Kerbe setzt der Kennserspiel des Jahres-Preis an. Daher würde mich eine Nominierung nicht wundern.

Empfehlungsliste
Auch beim Kennerspiel des Jahres gibt es immer eine Empfehlungsliste. Diese Spiele könnten dort genannt werden:
Paladine des Westfrankenreichs: Der Vorgänger Architekten des Westfrankrenreichs wurde im letzten Jahr empfohlen. Qualitativ übertrifft Paladine seinen Vorgänger meiner Meinung nach sogar klar. Allerdings steigt auch der Anspruch und so ist das Spiel sicher etwas über dem Kennerniveau. Für eine Empfehlung könnte es aber reichen.
Watergate: Auch im Kennerbereich könnte ein 2-Spieler-Spiel empfohlen werden, auch hier habe ich es leider nicht gespielt. Viele sind sich aber einig, dass eine Empfehlung oder gar Nominierung für dieses thematische Politik-Medien-Duell verdient wäre.
Carnival of Monsters: Das Drafting-Spiel kam eigentlich in allen Runden sehr gut an. Ich denke es könnte auf jeden Fall für eine Empfehlung reichen. Hat die Nase denke ich knapp vor dem Drafting-Konkurrenten Amul, das ja eigentlich gar kein Drafting-Spiel ist.


Zum Schluss will ich noch einige tolle Spiele nennen, die es meiner Meinung nach aus unterschiedlichen Gründen nicht auf die Liste schaffen werden. PUSH ist ein sehr puristisches Push-your-Luck-Spiel, das viele auf der Nominierungsliste zum Spiel des Jahres sehen. Leider funktioniert es meiner Erfahrung nach nur schlecht in großer Besetzung und wird denke ich daran scheitern. Pictures ist ein Bau- und Assoziationsspiel mit einer tollen Grundidee, das aber wohl leider ein paar redaktionelle Schwächen zu viel für eine Empfehlung hat. My City ist ein Legacy-Spiel für Familien, das am Corona-Virus scheitern könnte. Ich denke es kam vielleicht etwas zu spät auf den Markt und konnte wegen der Kontaktsperren nicht mehr genug getestet werden.

Beim Kennerspiel würde ich mir Coloma wünschen, das für mich ein rundum gelungenes Spiel am oberen Kenner-Niveau ist. Leider hört man insgesamt recht wenig von dem Spiel und ich habe das Gefühl es wird nicht beachtet werden. Glen More II: Chronicles wird vermutlich daran scheitern, dass es eher als Neuauflage und nicht als wirklich neues Spiel angesehen wird. Bei Underwater Cities bin ich mir weder sicher ob es in den aktuellen Jahrgang fällt, noch ob es von der Komplexität nicht zu hoch ist und rechne daher auch hier nicht mit einer Erwähnung. Cooper Island, Maracaibo oder Trismegistus haben wohl einen deutlich zu hohen Anspruch und kommen daher nicht in Frage.

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