[Review] Göttderdämmerung

Großgruppen-Spiele mit verdeckten Rollen – auch Social Deduction oder einfach Werwolf-Spiel genannt – haben es meistens relativ schwer gespielt zu werden. Auch Götterdämmerung von Amigo und den beiden Autoren Christof Schilling und Dr. Hans-Joachim Höh geht das leider nicht anders.

Doch was ist eigentlich das Problem dieser Spiele? Zunächst mal braucht man eine große Gruppe – in diesem Fall mindestens 7 Spieler. Außerdem gibt es viele Spieler bei denen die typischen Lügen-Gebilde eher Stress als Spielspaß erzeugen und die dieses Genre daher kategorisch ablehnen. Und hat man dann tatsächlich mal eine Social-Deduction-freundliche Gruppe in passender Größe zusammen bekommen, gibt es meist schon ein anderes Spiel das diese Gruppe spielt. Und zwar immer! Dennoch habe inzwischen die ein oder andere Partie spielen können. Und für meine Mitspieler hat es sich am Ende meist gelohnt sich doch auf das Spiel einzulassen.

In Götterdämmerung begeben wir uns in die Welt der nordischen Gottheiten. Es treten ähnlich wie bei den Werwölfen zwei Parteien gegeneinander an – die Verschwörer gegen die Beschützer Asgards. Die Verschwörer sind deutlich in der Unterzahl, kennen sich dafür gegenseitig und können in jeder Runde in der Verschwörerphase – ähnlich der Nachtphase – einen Spieler am Tisch in die Unterwelt befördern. Ziel beider Seiten ist es alle Mitglieder der anderen Seite in die Unterwelt zu befördern. Einer der Hauptunterschiede ist jedoch, dass kein Spieler ausscheidet der in die Unterwelt verbannt wird. Alle Mitspieler bleiben bis zum Spieleende dabei und drehen lediglich ihre Rollenkarte auf die Unterwelt-Seite.

Diese Rollenkarten bringen den zweiten wichtigen Unterschied. Jeder Spieler bekommt neben der Fraktionskarte noch eine davon völlig unabhängige Rollenkarte – z.B. Thor, Odin oder Loki. Jeder hat dadurch zudem eine individuelle Fähigkeit, die er in der Aktionsphase einmal pro Runde nutzen kann. So können z.B. Mitspielern Stimmen für die nachfolgende Abstimmung geklaut oder geschenkt, Spieler vor bestimmten Aktionen geschützt, Mitspieler verwundet, verwundete Spieler getötet oder bereits verteilte Aktionskarten weitergeschoben werden. Zudem gibt es jede Runde ein wechselndes Orakel, also einen Spieler der sich die Fraktionskarte eines anderen anschauen darf. Dabei darf natürlich gelogen und betrogen werden, wie man es aus ähnlichen Spielen kennt. Am Ende jeder Runde darf schließlich – natürlich nach ausreichender Diskussion – über einen Spieler abgestimmt werden der in die Unterwelt verbannt werden soll. Hierbei gibt es nicht selten hitzige Wortgefechte und natürlich das Hoffen und Bangen auf beiden Seiten.

Nach der SPIEL 2018 war ich regelrecht gehyped von dem Spiel, da meine dortige Partie wirklich großartig verlaufen ist. Inzwischen bin ich jedoch ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurück gekehrt. In den meisten Runden hat das Spiel tatsächlich auch danach wunderbar funktioniert und ist – auch bei sonst eher kritischen Social-Deduction-Fans – sehr gut angekommen. In der ein oder anderen Runde hat es jedoch leider nicht so gut funktioniert und inzwischen habe ich auch die ein oder andere Schwäche festgestellt:

Schwierig ist es z.B. die Mitspieler dazu zu bringen in der Aktionsphase – in der nicht gesprochen werden darf – auch wirklich still zu sein. Hier entsteht naturgemäß der meiste Diskussionsbedarf und vieles will einfach raus, bevor es später vergessen wird. Das größte Problem ist aber, dass das Spiel zwar theoretisch ohne Spielleiter funktioniert, praktisch jedoch gerade in dieser Konstellation seine größte Schwäche offenbart. Leider ist es für die Verräter nahezu unmöglich ihre Aktionen in der Verräterphase so leise durchzufühen, dass sie sich dadurch nicht verraten. Das hat in fast jeder Partie dazu geführt, dass sich einer von (je nach Spielerzahl) oft nur 2 Verrätern früh opfern musste um die Aktionen durchzuführen.

Ungewöhnlich für ein Spiel diese Kategorie ist zudem die relativ lange Spielzeit. Eine Partie dauert in der Regel zwischen 45 und 60 Minuten, ich habe allerdings auch schon deutlich längere Partien erlebt. Dieses geringere Spieltempo empfinde ich jedoch als sehr positiv. Dadurch kann man sich deutlich weniger Fehler erlauben und ist mehr versucht logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Neue Informationen sammelt man nur langsam. Der Nachteil ist naturgemäß, dass man nur selten mehr als 1-2 Partien am Abend spielen wird.

Insgesamt kann ich Götterdämmerung auf jeden Fall empfehlen. Ich hatte viele tolle Partien, die bis zum Ende hochspannend waren. Fast immer gipfelt das Spiel in einer alles entscheidenen letzten Abstimmung, vor der man sich undbedingt genug Zeit zum diskutieren nehmen sollte. Götterdämmerung muss sich vor anderen Social Deduction Spielen nicht verstecken. Den Thron des Genres konnte das Spiel jedoch nicht ganz erklimmen.

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